Nach dem Knall sitzt mein Sohn vor mir wie ein Häufchen Elend. Sein Kopf in den Händen vergraben, seine Schultern hängend als trüge er eine schwere Last auf ihnen. Leise und mit Wehmut in der Stimme lässt er mich wissen, wie traurig er ist: „…weil ich Fehler mache.“
Vor sechs Jahren habe ich den Kontakt zu meiner Mutter abgebrochen. Ein radikaler Schritt, um den wiederkehrenden Verletzungen in einer destruktiven Beziehung zu entkommen. Es war die Konsequenz aus vielen gescheiterten Versuchen das Miteinander in andere Bahnen zu lenken. Doch es ist unmöglich ein Problem gemeinsam zu lösen, das mein Gegenüber nicht einmal in seiner Existenz anerkennt. Und so kam der Tag, an dem ich wusste: bis hier hin und nicht weiter. Ich muss mich und meine kleine Familie schützen. Also ließ ich meine Mutter wissen, dass ich keinen Kontakt mehr zu ihr haben möchte.
Es genügt manchmal ein Schnipsen und du bist wieder dort. Spürst dein Herz klopfen bis in den Hals. Dein Blut in den Adern gefrieren. Der Atem schnell und flach. Jedes Geräusch laut wie ein Tornado. Jeder Muskel angespannt. Die Augen aufmerksam die Umgebung absuchend. Dein ganzer Körper in Alarmbereitschaft.
Schon wieder stehe ich an diesem Punkt. Ich lasse den Tag Revue passieren. Für einen Montag gab es überdurchschnittlich viele Highlights: der Sohn hat sich morgens freiwillig die Zähne geputzt. Eine Kundin hat mit Tränen in den Augen hervorgebracht, wie froh sie ist mich zu haben. Die Tochter feiert ihr derzeitiges Lieblingsbuch ab und zitiert daraus munter die kompliziertesten Zaubersprüche. Und dennoch fühle ich…eigentlich nichts.Weiterlesen „Vom Finden des Weges“→
„Der Mutterinstinkt wird dich leiten“, hatte ich gelesen. „Sobald dein Kind in deinen Armen liegt, ist alles vergessen und du wirst die unbändige Mutterliebe in dir spüren.“